Einhornhöhle
In der Einhornhöhle bei Scharzfeld im Harz haben sich die Hinterlassenschaften der letzten über 100.000 Jahre in mächtigen Ablagerungen erhalten, in denen zahlreiche hervorragend erhaltene Tierknochen und Werkzeuge unserer eiszeitlichen Vorfahren zu finden sind. Die Höhle hat schon früh die Aufmerksamkeit der Wissenschaft geweckt. Doch erst 1985 wurde sie auch als altsteinzeitliche Fundstelle bekannt, als Ralf Nielbock im so genannten Jacob-Friesen Gang erste Steinartefakte entdeckte. Ein typischer Levallois-Kern weist auf den Neandertaler als Urheber der Funde hin. Seither gilt die Einhornhöhle als Schlüsselfundplatz für die Erforschung des Neandertalers im Norden. Seit 2014 gräbt das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege gemeinsam mit der Gesellschaft Unicorno fossile e.V. in diesem Gang und im Bereich des verstürzten Höhlenzugangs. Erstmals gelang es dabei, gut erhaltene Kulturschichten aus der Zeit des Neandertalers zu erschließen. Unter den erhaltenen Jagdbeuteresten hat sich ein unscheinbarer Fußknochen als Sensation herausgestellt: Nach der Entfernung des anhaftenden Erdreichs zeigte er ein winkelartiges Muster aus sechs Kerben. Ein Forschungsteam unter Leitung des NLD und der Universität Göttingen analysierte den Neufund und kam zu dem Ergebnis: Der Neandertaler, unser genetisch nächster Verwandter, hatte erstaunliche kognitive Fähigkeiten. Das hohe Alter des Knochens zeigt, dass er bereits Jahrtausende vor der Ankunft des modernen Menschen in Europa in der Lage war, Muster auf Knochen selbstständig herzustellen und wohl auch mit Symbolen zu kommunizieren. Dies spricht für eine eigenständige Entwicklung der kreativen Schaffenskraft des Neandertalers. Der Knochen von der Einhornhöhle repräsentiert somit das älteste verzierte Objekt Niedersachsens und einen der bedeutendsten Funde aus der Zeit des Neandertalers in Mitteleuropa.